Ein Müller mit Tradition, Herz und Verstand
Horst Plötner war der letzte Müllermeister der Belmer Mühle
Über Jahrhunderte hat die Belmer Mühle den alten Belmer Ortskern mit ihrem Geschäftsbetrieb geprägt. Immer wurde derjenige, der zur Mühle kam, dabei vom Müllermeister freundlich empfangen. Neben den Arbeiten in der Sägemühle, in der Holz zugeschnitten wurde, führte die Mühle auch Lohndrescharbeiten durch und bot im Laufe der Jahre nicht nur Mehl, Saatgut, Futter- und Düngemittel an, sondern auch Sämereien, Torf und Pflanzenschutzmittel. Ob nun die Kunden einen größeren oder nur einen kleineren Wunsch hatten, sie wurden alle in guter Tradition persönlich, zuverlässig und fachlich kompetent beraten und bedient. Müllermeister Horst Plötner kannte die meisten seiner Kunden persönlich und nahm sich immer Zeit für ein kurzes oder nicht selten auch längeres Gespräch. Diese individuelle und fachkundige Betreuung kam bei den Kunden sehr gut an. Freude kam auf, wenn Herr Plötner den Kunden und deren Kindern als Dankeschön z.B. Bonbons oder Schokolade anbot. Diese sympathische Angewohnheit und freundliche Geste unterschied die Belmer Mühle von anderen Massen verarbeitenden Großmühlen.
„Nur mit Fachkompetenz und den engen Kundenbeziehungen können wir den mächtigen Wettbewerbern Paroli bieten.“, so Müllermeister Plötner wörtlich.
Doch die wirtschaftliche Situation für die Mühlen wurde nicht besser. Wenige Großmühlen wurden in Deutschland mit Hilfe von ERP-Mitteln (European Recovery Program) aufgebaut, übernahmen die Marktherrschaft und das „Mühlensterben“ der mittelständischen Mühlen in Deutschland nahm seinen Lauf. Auch die Belmer Mühle blieb davon nicht verschont.
Als Müllermeister Plötner im Alter von 73 Jahren auch noch große gesundheitliche Probleme belasteten, musste er das Gewerbe zum 01.10.1991 abmelden. Das war für ihn und seine Familie ein schmerzlicher Schritt.
Horst Plötner war nicht Zeit seines Lebens Müller und Kaufmann, sondern das persönliche Schicksal - durch Krieg und Liebe beeinflusst - ließ ihn in Belm ein Zuhause finden.
Horst Plötner wurde am 20.08.1918 in Dresden geboren und bestand dort 1937 sein Abitur mit Auszeichnung. Danach musste er seine Dienstzeit beim Reichsarbeitsdienst und die zweijährige Wehrdienstpflicht ableisten. Durch den Kriegsausbruch 1939 rückte sein Wunsch, ein Studium zu beginnen, in weite Ferne. Eingesetzt in der Flugabwehr (Flak-Abteilung) führte ihn der Krieg von verschiedenen Standorten in Norddeutschland über Holland, Belgien und das Ruhrgebiet bis in den Bereich von Wien und Salzburg. Während seiner Einsatzzeit in Belm lernte er Anni Recker, Tochter des Mühlenbesitzers Carl Recker, kennen und lieben. Er heiratete sie am 19.01.1944.
Nach der Kapitulation der Wehrmacht geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er am 10.08.1945 ausgezehrt und abgemagert von Heilbronn über Hannover nach Belm entlassen wurde. Durch den Luftangriff auf Dresden hatten seine Eltern, sein Bruder und er all ihr Hab und Gut und ihre Heimat verloren. Mit neuer Hoffnung übernahm er in Belm die Geschäftsführung der Belmer Mühle und erlernte das Müllerhandwerk. Gleichzeitig begann er eine Lehre als Kaufmann. Am 24.05.1950 bestand Horst Plötner die Meisterprüfung im Müllerhandwerk mit der Note „Sehr gut“. Ergänzend legte er noch die Prüfung zum Industriekaufmann mit sehr gutem Erfolg ab. Seit dieser Zeit gehörte Horst Plötner der Meisterprüfungskommission der Müllerinnung an und war neben seinem Einsatz in der Belmer Mühle ab dem 11.07.1951 auch als Fachlehrer für angehende Müllergesellen an der Berufsschule tätig. Zusätzlich war er Vorstandsmitglied der Müllerinnung und der Innungskrankenkasse sowie Beisitzer des Arbeitsgerichtes Osnabrück.
Mit der Stilllegung der Belmer Mühle am 30.09.1991 trat Horst Plötner im Alter von 73 Jahren in den Ruhestand. Dann übernahm die Gemeinde Belm das historische Gebäude der Belmer Mühle als Kulturerbe. Heute ist dieses besondere Bruchsteinbauwerk das schöne Domizil des „Vereins Belmer Mühle“, des „Heimat- und Wandervereins Belm“ und der „Interessengemeinschaft Erzgebirgspyramide“.